Bundesregierung kann sich nicht entscheiden: Zugang zum Informatikstudium weiter beschränkt, während Programmierer_in zum Mangelberuf erklärt wird
Vor etwa einem Jahr wurden Zugangsbeschränkungen für diverse Informatikstudien beschlossen. An der Technischen Universität Wien, die die Hälfte aller Informatikstudierenden in Österreich ausbildet [0], sind die Studienplätze ab dem Studienjahr 2016/17 nun auf 581 limitiert. Für dieses Jahr konnten sich 749 Interessierte gültig für das Verfahren registrieren [1]. Im Vergleich dazu haben im Studienjahr 2015/2016 insgesamt 1125Personen ein Informatik- oder Wirtschaftsinformatik-Studium an der TU Wien begonnen [2]. Somit wurde etwa die Hälfte der Studienplätze gekürzt.
“Immer wieder werden Programme gestartet, um mehr Personen für die Informatik zu begeistern, gezielt auch solche für Frauen*. Trotzdem werden die Möglichkeiten, einen höheren Abschluss in der Informatik zu erwerben, immer weiter beschränkt. Der Schritt des Ministeriums, von 980 geforderten Plätze im Jahr 2013 auf 581 zu reduzieren, ist jedenfalls einer in die falsche Richtung und hat das Aufnahmeverfahren erst ermöglicht. Wir fordern eine Ausfinanzierung der Informatikstudien und die Möglichkeit für alle, ein solches Studium auch aufzunehmen.”, so Tanja Travnicek, Vorsitzende der Studienvertretung Informatik an der TU Wien.
Anstatt die MINT Studienfächer ausreichend zu finanzieren, hat die Bundesregierung kürzlich ein 12 Punkte umfassendes Paket beschlossen, in dem eine Investion von 185 Millionen Euro in österreichische Start-Ups angestrebt wird [3]. Besonders hervorzuheben ist Punkt 10, in dem festgesetzt wird, den Programmierer_innen-Beruf als Mangelberuf zu klassifizieren.
Die Studienvertretung Informatik der TU Wien findet es fragwürdig, in Zeiten, in denen großes Interesse an der Informatik sowohl bei Studierenden als auch in Forschung und Wirtschaft vorhanden ist, den Zugang zum Informatikstudium zu beschränken. Das Resultat müssen die Studieninteressent_innen ausbaden: Zusätzlich zur 2011 verschärften und inzwischen minimal abgemilderten Studieneingangs- und Orientierungsphase muss ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren durchlaufen werden.
In einer Presseaussendung der TU Wien zum Reihungstest [4] wies Dekan Werthner darauf hin, dass die Fakultät für Informatik mit dem Aufnahmeverfahren die “richtigen” Studierenden finden will. Sabrina Burtscher von der Studienvertretung Informatik: “Wir halten die Einteilung von Studieninteressierten in ‘richtig’ oder ‘falsch’ für abfällig und schädlich. Ein faires Aufnahmeverfahren existiert nicht, die im Gesetz geforderte Diskriminierungsfreiheit ist praktisch unerfüllbar. Alle Beschränkungen haben Konsequenzen und führen zu verstärkter sozialer Selektion. Die Teilnahmegebühr von 50 Euro mag zwar nicht nach viel Geld klingen, ist aber nicht der einzige Kostenfaktor, der durch das Aufnahmeverfahren entsteht.”
Neben dem finanzielle Aspekt hat die Aufnahmeprüfung eine abschreckende Wirkung auf Studierende, die mit größeren Barrieren zu technischen Studien konfrontiert sind. Das betrifft unter anderem Studieninteressierte ohne unterstützendes Umfeld oder Vorbilder im Bekanntenkreis. “Das Aufnahmeverfahren wird die Diversität der Studierenden auf der Fakultät spürbar beeinträchtigen.”, so Travnicek.
Angesichts der ungebrochen hohen Anzahl an Studieninteressierten, der hohen Nachfrage an IT-Fachkräften in der Wirtschaft und der sozialen Selektivität der Aufnahmeverfahren fordert die Studienvertretung Informatik ein klares Bekenntnis zur Förderung von Informatik-Studienplätzen in Österreich.
[0] http://derstandard.at/1348284968566/Huerden-bei-Informatik-Studium-Nur-375-Studenten-kommen-weiter
[1] https://www.tuwien.ac.at/aktuelles/news_detail/article/10244/
[2] https://tiss.tuwien.ac.at/statistik/lehre/studien?semester=148&anzahl_semester=5&format=html&prozente_anzeigen=0&kategorien%5B%5D=Studienkennzahl&kategorien%5B%5D=Geschlecht&filter%5B%5D=ohne+Mitbeleger&filter%5B%5D=nur+Studien-Beginner
[3] https://www.trendingtopics.at/start-up-paket-spoe-und-oevp-einigen-sich-auf-massnahmen-im-rahmen-von-184-millionen-euro/
[4] http://www.tuwien.ac.at/aktuelles/news_detail/article/10244/