Offener Brief ans Rektorat: Burschenschafter auf der TU Wien

Posted on 13.04.2016 ,

Sehr geehrte Rektorin Seidler,

sehr geehrter Herr Hodecek und sehr geehrter Herr Rohregger,

liebes Vorsitzteam der HTU Wien,

wiederholt haben in den letzten Wochen und Monaten sowohl gewählte Mandatar_innen der Universitätsvertretung als auch Aktivist_innen und Studienvertreter_innen darauf hingewiesen, dass sich der wöchentliche Bummel deutschnationaler Burschenschafter des Wiener Korporationsrings immer öfter nicht nur vor der Universität Wien sondern auch an der TU Wien stattfindet. Auf der Rampe der Universität Wien kommt es mittlerweile seit Jahren zu Protesten vonseiten der Studierenden, mancher Studienrichtungsvertretungen, der ÖH an der Uni Wien und einigen autonomen Gruppen. Der lautstarke Protest hat dazu geführt, dass die Burschenschafter ihren Bummel nicht mehr ungestört durchführen können und daher teilweise auf die TU Wien ausweichen.

Nachdem es bereits im November Übergriffe gegen antifaschistische Aktivist_innen vor der TU Wien gab, erreichten die Vorkommnisse am 16. März 2016 einen neuen, traurigen Höhepunkt: Die Burschenschafter trafen sich zunächst am Juridicum der Universität Wien, gingen weiter zum Neuen Institutsgebäude der Uni Wien, störten dort eine Philosophie-Vorlesung und zogen daraufhin an die TU weiter. Dort stellten sie sich direkt vor die Räumlichkeiten der Fachschaft Architektur, die seit Jahren für ihr antifaschistisches Engagement bekannt ist.

Die wenigen Aktivist_innen und Student_innen, die vor Ort waren, stellten sich den Rechtsextremen mit einem Transparent (“NO TU FOR YOU - Gegen Rechtsextremismus immer und überall”) entgegen und wurden ebenfalls angepöbelt und beschimpft. Eine Burschenschaft postete später ein Selfie auf ihrer Facebook Page, das eine Person namens Alexander Schleyer [5] mit einem Ausschnitt des Transparents zeigte, auf dem nur “Rechtsextremismus immer und überall” zu lesen ist. Der Begleittext zu diesem Post der Akademischen Corps Hansea zu Wien lautete: “Auch an der TU wurden wir nach einiger Zeit des Wartens bis sich die Ratten aus ihren Löchern bequemt haben - wieder herzlich empfangen”[2]. Es ist wohl nicht notwendig zu erklären, welchen historischen Hintergrund die Bezeichnung von Antifaschist_innen als “Ratten” hat. Noch dazu befindet sich unter dem genannten Post ein bestätigendes Statement von Katharina Walter, Identitäre und Mitarbeiterin im SAP Callcenter der TU Wien [3]. Wir finden es absolut unangebracht, dass gerade eine Mitarbeiterin der TU Wien Studierende als “Ratten bezeichnet, offenbar rechtsextreme Kontakte pflegt und eine solche Einstellung vertritt.

Abgesehen davon, dass es nicht tragbar ist, dass eine Mitarbeiterin der TU Wien Studierende als “Ratten” bezeichnet, ist offensichtlich, dass sich die Lage zugespitzt hat: Studierende fühlen sich aufgrund ihres politischen Engagements nicht mehr sicher vor Rechtsextremen - und das an der Universität, an der Sie, sehr geehrte Rektorin Seidler, das Hausrecht haben. Rechtsextremismus darf nicht im öffentlichen Raum und auch nicht an der TU Wien Raum geboten werden!

Angesichts dessen, dass an der TU Projekte wie MORE und Welcome.TU.code stattfinden, die von Studierenden, Studienvertretungen, Fakultäten und dem Rektorat initiiert und getragen werden, ist die momentane Situation absolut untragbar. Wie kann sich die TU Wien und auch die HTU für zugängliche Bildung für Geflüchtete engagieren, während rassistische, rechtsextreme Gruppierungen wie deutschnationale Burschenschaften in den Innenhöfen des TU-Hauptgebäudes antifaschistisch engagierte Fachschaften belagern?

In den letzten Jahren ist immer wieder die Frage gestellt worden, was denn eine Universität dazu beitragen kann, dass rechtsextreme Burschenschafter sie nicht vereinnahmen. An der Freien Universität Berlin ist das Tragen von Couleur seit Jahren unerwünscht, das Präsidium der Universität hat sich mehrmals unmissverständlich dazu geäußert[4]. Als Studienvertreter_innen, Fachschaftsaktivist_innen, Studierende und gewählte Mandatar_innen der Universitätsvertretung wünschen wir uns ein ebenso klares Bekenntis vonseiten des Rektorats, der GUT sowie der HTU gegen Rechtsextremismus, Sexismus, Nationalismus, Homophobie, Antisemitismus und Rassismus im öffentlichen Raum und an unserer Universität! Es kann und darf nicht sein, dass sich Studierende (darunter auch Geflüchtete) an der Universität nicht sicher fühlen vor den Übergriffen rechtsextremer Burschenschafter in Couleur.

Homophobie, Rassismus, Sexismus, Antisemitismus sind keine “Meinungen” im freien Austausch, sondern unterminieren ganz klar den demokratischen Grundsatz der Gleichheit. Wenn die Demokratie dergestalt in Frage gestellt wird, sollten alle ihre Verteidiger_innen alarmiert sein! Wir werden uns Rechtsextremismus an der TU Wien auch weiterhin entgegenstellen und nicht zulassen, dass deutschnationale Burschenschafter unkommentiert immer mehr Raum an der Universität einnehmen! Aber es braucht auch Widerstand vom Rektorat!

Mit besten Grüßen

Die Fachschaft Informatik sowie

die Mandatar_innen der Universitätsvertretung

der Fraktionen TU*Basis und GRAS TU