Teil 3: Was ist eigentlich Objektifizierung?

Posted on 02.01.2015

http://sarahburrini.com/wordpress/comic/objektifizierung/

Was bisher geschah: In den vergangenen htu_info Ausgaben[htu.info Archiv] findest du die ersten beiden Artikel dieser Reihe, in denen es vor allem um die Definition des Begriffes “Sexismus” und häufige Diskussionspunkte geht. Diesmal geht es unter anderem darum, warum manche Dinge sexistisch sind.

Wer anfängt sich mit Sexismus zu beschäftigen, stößt früher oder später auf den Begriff “Objektifizierung”. Hierbei handelt es sich um die Reduzierung von Personen (vor allem Frauen) zu Sexobjekten, ohne freien Willen oder die Fähigkeit selbstständig zu handeln. Vielmehr steht die sexuelle Begehrlichkeit und Verfügbarkeit des (weiblichen) Körpers für andere handelnde Entitäten (vor allem heterosexuelle Männer/Protagonisten) im Vordergrund.

Der Objektifizierung begegnen wir im Alltag so häufig, dass wir sie kaum aktiv wahrnehmen. Es gibt mehrere Erkennungszeichen, die aber nicht alle zutreffen müssen. Martha Nussbaum definiert das Konzept der Objektifizierung mit den folgenden Merkmalen:

  • instrumentality - Darstellung als Werkzeug für andere,
  • denial of autonomy - keine Selbstbestimmung,
  • fungibility - Darstellung als austauschbar,
  • violability - Dargestellte “dürfen” verletzt/beschädigt werden,
  • ownership - Darstellung als Besitz von anderen, und
  • denial of subjectivity - keine Darstellung als eigenständige Person.

[Quelle: Martha Nussbaum, “Trading on America’s puritanical streak”, The Atlanta Journal-Constitution , 14 März 2008]

Sexuelle Anziehung wird oft mit Objektifizierung verwechselt und die Darstellung von Personen als Objekt wird mit Attraktivität gerechtfertigt - dabei hat das eine nur wenig mit dem anderen zu tun. Um eine Person anziehend zu finden ist es nicht notwendig, dass diese objektifiziert wird.

Beispiele

Gerade in Werbungen ist Objektifizierung und sexualisierte Darstellung von Frauen sehr verbreitet. dieStandard.at vergibt Zitronen für sexistische Werbesujets aus Österreich, aber auch aus anderen Ländern gibt es eine Fülle von Beispielen. So wirbt eine gewisse Deo-Marke oft damit, dass sich ein Mann/Protagonist/Subjekt nach dem Duschen mit dem Produkt einsprüht und anschließend von Brüsten auf Beinen/Objekten, die nicht anders können, durch die Stadt verfolgt wird.

Mit Frauenkörpern wird für eine Vielzahl an Produkten geworben, die damit nichts zu tun haben, wie etwa Autos, Spiele, Werkzeuge, Lebensmittel oder auch Topfpflanzen. Aber auch bei der Bewerbung von Produkten, die direkt mit Körpern zu tun haben, tritt Objektifizierung auf. So kann etwa im Fashionbereich Werbung manchmal nicht auf den ersten Blick von Pornographie unterschieden werden [“Fashion or Porn” - zum Teil NSFW, Sound abdrehen!].

Zur Objektifizierung von Frauen in Videospielen gibt es die sehr empfehlenswerte Videoserie “Tropes vs. Women in Video Games” von Anita Sarkeesian, die das Thema im Detail behandelt. Häufige Beispiele sind etwa die gerade für MMOs typischen sehr unterschiedlichen Rüstungen für männliche und weibliche Charaktere [Dueling Analogs - Gearing up the Hero(ine)]. Besonders in Spielen, die für junge, heterosexuelle Männer gemacht und vermarktet werden, ist die entführte Freundin/Mutter/Tochter/Prinzessin oft der einzige Antrieb/Grund, weshalb das Abenteuer bestritten wird. Unabhängig davon, ob das Objekt der Begierde bis dahin stark, intelligent, mächtig, … war, kann es jetzt nichts mehr, außer sich retten zu lassen. Häufig finden sich auch leicht bekleidete Frauen, die entweder direkt als Sexobjekt verwendet werden können, oder die Funktion eines hübschen Kleiderständers erfüllen.

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Negative Folgen

Objektifizierung von Frauen wirkt sich sowohl auf Frauen als auch auf Männer negativ aus. Objektifizierung von Männern passiert weitaus seltener, weshalb wir sie nicht ausführlich diskutieren, hat aber mitunter ähnliche Auswirkungen.

Eine der größten Folgen ist die unterschiedliche Wahrnehmung von Männern und Frauen. Für Frauen wird das Aussehen als wesentlich wichtiger kommuniziert, es entsteht ein großer Druck, sich bestehenden Schönheitsidealen anzupassen. Gleichzeitig treten Persönlichkeit und Charakter in den Hintergrund. Frauen werden als weniger fähig wahrgenommen, dafür aber als emotionaler und irrationaler.

Frauen werden vom Kindesalter zu passiven Objekten erzogen, deren Ziel es ist, die Gunst eines Subjektes zu erlangen. Schönheitsideale sollen eingehalten werden - andernfalls wird die Person als weniger wert angesehen und auch so behandelt. “Street Harassment”, das Belästigen von Frauen auf offener Straße, passiert unter dem Deckmantel der Freundlichkeit, der Betroffenen “nur ein Kompliment” machen zu wollen. Dass jederman(n) sich dazu befähigt und berechtigt fühlt, das Aussehen einer Person öffentlich zu kommentieren, ist jedoch eine Auswirkung von Objektifizierung. Die oft schnelle Eskalation von “Hey Sexy” zu “Was ist falsch mit dir” (oder tatsächlichen Drohungen) zeugt ebenfalls von fehlendem Respekt gegenüber der Angesprochenen.

Mann-Frau-Freundschaften werden als unnormal angesehen und zeugen davon, dass mann nicht Mann genug ist und in die “Friend Zone”[wikipedia] gesteckt wurde, weshalb die Frau möglichst schnell ausgetauscht werden soll. Außerdem nehmen viele Männer Frauen nicht als gleichwertige Menschen wahr, sondern denken, dass Frauen ihnen Sex schulden und jede Begegnung im Endeffekt auf Sex hinauszulaufen hat.

Interessante Links:

auch noch interessant ist “The Hawkeye Initiative”: http://thehawkeyeinitiative.com/

Laci Green (@gogreen18) zu Objectification: https://www.youtube.com/watch?v=u_4dPB9MVS8

Dieser Artikel erschien in der htu.info Ausgabe 04/2014.