Sehr geehrte Mitglieder der Fakultät für Informatik,
liebe Studierende,
liebe Betroffene,
Wie Sie sicherlich bereits wissen, sollen im nächsten Wintersemester an der Informatik modifizierte Studienpläne eingeführt werden. Brisantester Punkt dabei ist wohl die Studieneingangsphase, eine Regelung, die Studierende, die noch nicht das erste Jahr abgeschlossen haben, von höhersemestriger Lehre ausschließt. Die Fakultät hat diese Regelung gegen den Willen der Studierenden beschlossen, aber das ist nicht der einzige Grund, warum wir uns mit diesem Brief an die Öffentlichkeit wenden. Leider haben die modifizierten Studienpläne, abgesehen von der Studieneingangsphase, noch eine Menge weiterer Verschlechterungen mit sich gebracht. Zugegebenermaßen lag es nicht immer in der Hand der Fakultät für Informatik, über diese Verschlechterungen zu entscheiden oder sie gar zu verhindern. Aber viel zu oft wurden die legitimen Anliegen der Studierenden schlichtweg ignoriert. Und schlimmer noch, nicht nur in einem Fall sind diese Verschlechterungen die Schuld von jeweils einem einzigen “Ego” innerhalb der Fakultät, das einfach nicht über einen/ihren Tellerrand hinaus blicken kann oder will.
Die Fachschaft Informatik betrachtet es als wichtiges Merkmal eines universitären Studiums, dass eine gewisse Wahlfreiheit bei der Auswahl der Lehrveranstaltungen gegeben ist. Ein universitäres Studium sollte, im Gegensatz zu einem Studium an einer Fachhochschule, ein gewisses Maß an Flexibilität mit sich bringen. Es sollte Studierenden erlauben, eigene Interessen zu vertiefen und sich Kompetenzen aus verwandten Gebieten anzueignen. Wir sind der Meinung, dass diese Wahlfreiheit nicht nur viel zur Persönlichkeitsbildung der einzelnen Studierenden beiträgt, sondern auch zu einem großen Teil die Attraktivität eines universitären Studiums ausmacht.
Leider wurde in fast allen Studien der Informatik der Anteil an Pflichtlehre erhöht und die Wahlfachkörbe stark verkleinert. Beispielsweise hat es uns für ein Studium stundenlange Verhandlungen gekostet, nur um schließlich einen mickrigen Wahlfachkatalog von 7,5 ECTS herauszuschlagen, in dem lediglich Lehrveranstaltungen zu 15 ECTS enthalten sind. Fast alle Lehrveranstaltungen aus diesem Katalog sind ergänzende Übungen zu Vorlesungen aus dem Pflichtteil - nicht ganz der
Sinn eines Wahlfachkatalogs, wie wir meinen.
Wir haben unsere Bedenken über diese Entwicklung mehrfach und lautstark kund getan, jedoch erschien Wahl-Lehre vielen DiskussionsteilnehmerInnen als unnötig oder nicht des Aufwandes wert.
Nicht nur wurden Wahlfachkataloge verkleinert, die Studienkommission hat auch fast ein ganzes Studium im Eilbeschluss und ohne intensivere Überlegungen einfach abgeschafft. Bestand das Bakkalaureat “Software & Information Engineering” früher aus dem Zweig “Software Engineering” und dem Zweig “Information Engineering”, wurden nun beide Zweige zusammengelegt. Zwar heißt das Studium nach wie vor “Software & Information Engineering”, Tatsache ist aber, das ganze 3 (von 7) LVAs aus dem Pflicht- und 11 (von 26) LVAs aus dem Wahlfachkatalog die Änderung überlebt haben. Unter den Studierenden macht sich nun die Stimmung breit, dass Information Engineering einfach “ausradiert” worden ist.
Ursprünglich war – gemeinsam mit der Studierendenvertretung – geplant, die jeweiligen Basisfächer und Wahlfächer zu gemeinsamen Katalogen zusammenzufassen. Aus dem Basisfachkatalog hätten ca. 70% der LVAs gewählt werden müssen. In der Studienkommissionssitzung, in der die modifizerten Studienpläne beschlossen werden mussten, bestand plötzlich eine kleine Gruppe von ProfessorInnen darauf, dass “Semistrukturierte Daten” (zufälligerweise von einer dieser ProfessorInnen gehalten) absolut essentiell sei und deswegen unbedingt Pflichtfach sein muss. Auf einmal waren manche Fächer aus dem Basisfachkatalog nicht mehr optional und der Katalog damit ad absurdum geführt. Also wurde kurzerhand beschlossen, den Basisfachkatalog aufzulösen und ein paar der Fächer zu Wahlfächern zu erklären - und schon waren die Information Engineering Fächer weg. Wir waren mit diesem Vorschlag natürlich nicht einverstanden, aber bereits nach wenigen Minuten wurde die von uns angestrebte Diskussion abgewürgt und ein Antrag eingebracht. In der Abstimmung stimmten ProfessorInnen und Mittelbau geschlossen die Studierenden nieder. Die beschriebenen Ereignisse spielten sich innerhalb einer sehr kurzen Zeit in einer einzigen Studienkommissionssitzung ab.
Wir fragen uns, wie die oben angesprochenen Personen rechtfertigen können, für eine einzelne LVA mehr oder weniger im Alleingang ein ganzes Studium abzuschaffen. Kann eine LVA mit einem Umfang von 3 ECTS so essentiell sein, dass so ein Schritt gerechtfertigt ist? Wir fragen uns weiters, was aus den Studierenden werden soll, die bereits mitten in ihrem Information Engineering Studium sind. Zwar gehen ihnen keine bereits absolvierten Prüfungen verloren, aber sie müssen von einem Semester aufs nächste etwas anderes studieren - da ihr bisheriges Studium nicht mehr existiert! Auch die anderen Bakkalaureats- und Magisterstudiengänge sind teils erheblich modifiziert worden. Fast allen Studiengängen sind zumindest einige Schlüsselfächer abhanden gekommen (und das teilweise nur, weil der/die entsprechende ProfessorIn gerade nicht anwesend war). Die dreistündige LVA “Theoretische Informatik 2” ist überhaupt aus allen Bakkalaureaten verschwunden und wurde in die Magisterstudien verlegt. Die Studierenden der übrigen Studiengänge finden sich also in einer ähnlichen Situation wie Information Engineering Studierende: Der Charakter ihres Studiums hat sich wesentlich geändert. Diese Probleme wären zwar durch entsprechende Übergangsbedingungen
behebbar, doch war für die Formulierung, die Diskussion und den Beschluss eben dieser nicht genug Zeit, da es die Studienkommission für wichtiger befand, über Dinge zu diskutieren, die nicht einmal im Aufgabenbereich der Studienkommission liegen - wie zum Beispiel über Sanktionen für Lehrende, die die STEP aus welchen Gründen auch immer nicht implementieren. So ist jetzt die für alle ungünstige Situation eingetreten, dass es noch keine Übergangsbestimmungen gibt und sich niemand sicher sein kann, wie das Studium für diese Studierenden nächstes Semester aussehen soll. Eine viel bessere Lösung wäre die
Einführung gänzlich neuer Studien gewesen.
Als ob einige Personen nicht schon oft genug unter Beweis gestellt haetten, dass ihnen die Belange der Studierenden nicht besonders wichtig sind, hat die Fakultät beschlossen, eine “Studieneingangsphase” (STEP) einzuführen, eine tückische – weil für typische ErstinskribentInnen in ihrer Tragweite nicht sofort erkennbare – Art der Zugangsbeschränkungen. Die Argumente für eine STEP sind nicht sehr vielfältig und sind größten Teils an den Haaren herbeigezogen. Die Notwendigkeit die AbsolventInnenzahlen zu steigern, ist zwar eine durchaus schlüssige Begründung für Veränderung im Studienplan an sich, jedoch nicht automatisch auch für eine bestimmte Art von Veränderungen. So wurde z.B. ein durchaus ernstzunehmender Alternativ-Vorschlag des Studiendekans mit eben diesem Argument und ohne viel Diskussion vom Tisch gewischt.
Schliesslich hat die Debatte um die STEP gezeigt, dass sogar die selbsternannte geistige Elite der Gesellschaft höchst anfällig für eine Propagandamaschine ist, selbst wenn diese Propagandamaschine lediglich in der Person unseres Dekans, Gerald Steinhardt, manifestiert ist.
Für die Behauptung, die STEP verkürze die Durchschnittsstudienzeit, konnte die Fakultät bis heute keine schlüssige Begündung liefern; ja, es war ihr – trotz mehreren Aufforderungen dazu – ebenfalls nicht möglich, Daten zu präsentieren, die erstens über Einzelfälle aus der Erfahrung von manchen Personen hinausgehen und zweitens Hinweise auf eine mögliche Studienzeitverkürzung geben würden. Es erscheint daher zweifelhaft, dass eine Regelung, die bestenfalls keine Beschränkungen und schlimmstenfalls ein Semester Stehzeit verursacht (was auch den Verlust von diversen Beihilfen mit sich bringt) die durchschnittliche Studiendauer verringern sollte. Das Argument, dass durch früher absolvierte Grundlehre erreicht werden kann, dass höhersemestrigere Lehre besser verstanden werden kann, ist nicht relevant, da nicht eine positiv absolvierte Prüfung, sondern ein Erlernen der Denkweise und zumindest ein grundlegendes Verständnis der Materie notwendig ist. Unsere Erfahrung zeigt sogar (und das ist intuitiv auch klar), dass die theorielastigen knock-out Prüfungen der ersten Semester den Studierenden wesentlich leichter fallen, wenn sie bereits einige höhersemestrigere LVAs besucht haben, dort die Theorie angewendet haben und vor allem
nicht mehr ihr ganzes Semester aus mathematischen Grundlagen besteht.
Das wohl einzig wahre Argument des Dekans (alle anderen hier genannten Argumente wurden unserer Meinung nach nur als Ablenkungsmanöver eingebracht), dass die STEP eine Erhöhung unserer (zugegebenermaßen katastrophalen) AbsolventInnenzahlen bewirken würde, ist nicht stichhaltig. Eindeutige, auch dem Dekan Steinhardt bekannte (und von ihm
selbst zitierte) Statistiken besagen, dass ein Großteil der Studierenden nicht im vierten Semester (wenn die STEP-regelung etwas bewirken würde) mit ihrem Studium aufhören, sondern bereits im ersten Studienjahr. Wir sind der Meinung, dass die STEP sich sogar kontraproduktiv auf die
AbsolventInnenquote auswirken wird. Bis jetzt konnte der/die Studierende ein Fach, aus dem er/sie sich anfangs nicht mehr heraus sieht, auf “später” verschieben und konnte durch Konzentration auf die für ihn interessanten Fächer neue Motivation für sein Studium finden. Dies ist nun nicht mehr möglich. Das zuletzt vorgebrachte (und sehr scheinheilige) Argument ist, dass die STEP einen positiven Einfluss auf die “Qualität der Lehre” hat. Stellvertretend für den Rest der Fakultät möchten wir einmal die Qualität der Lehre von Gerald Steinhardt selbst betrachten. Die folgenden Punkte sind auf alle seine Lehrveranstaltungen (“Informatik und Gesellschaft 2”, “Grundlagen der Kommunikations- und Medientheorie” und “Techniksoziologie und Technikpsychologie”) zutreffend:
* Was ändert die STEP daran, dass Studierenden seit Jahren immer wieder das Recht auf Einsichtnahme verwehrt wird?
* Was ändert die STEP daran, dass Studierenden das Recht, ihre Prüfung zu kopieren, bei den wenigen Einsichtnahmen, die gewährt wurden, konsequent verweigert wurde?
* Was ändert die STEP daran, dass z.B. Gerald Steinhardt keine einzige seiner Prüfungen und Übungen selber verbessert? Die Prüfungsbögen kommen von der Abgabe bis zur Notenausstellung nie in die Hand von Gerald Steinhardt selbst. Stattdessen ist es für ihn überhaupt kein Problem, Menschen, die die entsprechende Prüfung noch nicht einmal haben (oder gar beim nächsten Prüfungstermin selber machen wollen), die Tests verbessern und bewerten zu lassen.
* Was ändert die STEP daran, dass es für keine seiner Lehrveranstaltungen irgendeine Form von Unterlagen gibt? Die Folien aus seinem Vortrag sind “hoch geheim” und es gibt ein Skriptum, das mit vollkommener Absicht nicht den Besuch der Vorlesung ersetzt. Den Studierenden wird ein vollkommen wertloses Skriptum angedreht, das aus zusammengesammelten, eingescannten Büchern und Artikeln besteht, wobei diese Texte nichts mit dem in der Vorlesung vorgetragenen Stoff zu tun haben und es ist das erklärte Ziel von Gerald Steinhardt, dass dieses Skriptum in keinster Weise eine Hilfe für die Prüfung darstellt. Ganz abgesehen davon sind diese Texte bestenfalls schlecht lesbar, nicht selten aber vollkommen unleserlich.
* Was ändert die STEP daran, dass die Prüfung selber aus derart unverständlichen Fragen besteht, dass selbst Menschen mit deutscher Muttersprache oft große Probleme haben, die Fragestellung zu verstehen? Der Notenschnitt der Menschen mit nicht deutscher Muttersprache ist signifkant niedriger (~20% der zu erreichenden Punkte) als der mit deutscher Muttersprache.
* Was ändert die STEP daran, dass der Beurteilungsmodus seiner Lehrveranstaltungen mit Übungsteil durch Fehlen eines Kommentars, wie letztere in die Gesamtnote einfließen, absolut intransparent ist?
* Was ändert die STEP daran, dass Gerald Steinhardt seit Jahren nicht willens ist auch nur eine der oben genannten Unzulänglichkeiten zu ändern?
Leider sind Dekan Steinharts Lehrveranstaltungen kein Einzelfall. Für die wenigsten Lehrveranstaltungen existieren Beschreibungen und Informationen über solche “Nebensächlichkeiten” wie Stoffinhalt und empfohlene Vorkenntnise. Nur noch selten bewerten ProfessorInnen ihre LVAs selber. Immer wieder wird das Recht, eine Prüfung bei der Einsichtnahme zu kopieren, verwehrt. Zeugnisse werden immer wieder mit Monaten, teils gar Jahren, Verspätung ausgestellt. Es kam sogar schon vor, dass den Lehrveranstaltungsteilnehmern eines ganzen Semesters der
Grad der Note gesenkt wurde, weil angeblich “alle”, in dem Fall ein paar hundert Studierende, abgeschrieben hätten. Diese Liste ließe sich jetzt noch einige Zeit fortführen. Werden Lehrende über solche Mißstände informiert, passiert es leider immer wieder, dass zuerst Versprechungen gemacht werden, diese sofort aus der Welt zu schaffen, nur um dann auf
wunderbare Art und Weise in Vergessenheit zu veraten. Um Mißverständnisse zu vermeiden: Natürlich gibt es viele Lehrende an der Fakultät, die ihre Arbeit gewissen- und vorbildhaft leisten. Umso tragischer ist es, dass diese Leistungen von diesen Unzulänglichkeiten verdeckt werden und nicht die Anerkennung bekommen, die sie verdienen
würden.
Diese Argumente und viele weitere wurden von der Fakultät mit einer Häufigkeit, die an Realitätsverweigerung grenzt, als “unwahrscheinlich” oder “unzulänglich” abgetan. Immer wieder hörten wir “probieren wir es halt aus” als Todschlagargument. Versuche an 700 ErstinskribentInnen an der Informatik durchzuführen ist fahrlässig. Studierende sind, wie jeder andere Mensch auch, keine Laborratten. Die Studierendenvertretung hat als einzige beteiligte Gruppe die von der STEP potentiell betroffenen Menschen befragt: Es wurde von Seiten der Studierenden eine Umfrage mit über 800 TeilnehmerInnen (ca. Œ der Bakkalaureatsstudierenden) durchgeführt, die eindeutig besagt, dass eine große Mehrheit der Studierenden sowohl gegen eine STEP ist, als auch durch die STEP wesentlich behindert worden wäre. Obwohl die Zahlen der Umfrage
eindeutig sind, wurde sie schamlos uminterpretiert und denunziert. Die Teilnehmerzahl wurde gar als “statistisch nicht signifikante Gruppe” bezeichnet.
Wir sind der Meinung, dass die Fakultät sich in diesem Jahr in höchstem Maße fragwürdig und zweifelhaft verhalten hat. Die Situation für die Studierenden hat sich massiv verschlechtert, das Klima zwischen Lehrenden und der Studierendenvertretung hat schon vor dem vorliegenden Brief einen Tiefststand erreicht. Wann immer Widerstand von uns zu erwarten war, wurden wir vom Informationsfluss abgeschnitten, wann immer die Wahrheit gerade etwas unpraktisch für die eigenen Anliegen war, wurde nicht damit gezögert die Realität zu verdrehen oder zu ignorieren.
Die neuen Studienpläne sowie die Handlungsweise der Fakultät für Informatik sind in ihrer Gesamtheit eine Schande und wir hoffen, dass den neuen Studienplänen ein möglichst kurzes Leben beschert ist. Wir fordern, dass bei der nächsten Studienplanänderung konstruktiver mit den Studierenden zusammengearbeitet wird, damit ein ausgewogenerer
Studienplan ausgearbeitet werden kann und der Übergang der Studien nicht wieder derartige Probleme für die Studierenden verursacht. Weiters fordern wir die Fakultät zu mehr Ehrlichkeit und Rückgrat bei der Verfolgung ihrer Ziele auf - es kann nicht angehen, dass die StudierendenvertreterInnen sich bei jeder Diskussion mehr und mehr vor den Kopf gestoßen fühlen müssen, weil stets fadenscheinige Gründe für Massnahmen angebracht werden, die de facto eine vollkommen andere Agenda erfüllen sollen. Konkret fordern wir hier Gerald Steinhardt auf, sich auf seine formale Funktion in der Studienkommission zu besinnen - die einer Auskunftsperson nämlich - und vielleicht die annigfaltigen Gründe für die schlechten AbsolventInnenstatistiken in erster Linie bei der Qualität der Lehre (ganz besonders bei seiner eigenen) zu suchen.
Fachschaft Informatik