Das einst als Insider-Thema eingeschätzte Tauziehen um die umstrittene Richtlinie über die Patentierbarkeit von Software in der Europäischen Union scheint nun zu einem politischen Skandal erster Klasse zu werden.
Nachdem in den letzten Monaten von der EU-Kommission unter Unterstützung einer mächtigen Pro-Patente-Lobby mehrmals versucht wurde die umstrittene Richtlinie in einem der Ministertreffen, wie z.B. dem völlig ungeeigneten Fischereirat als sogenannten “A-Punkt” auf der Tagesordnung
durchzuwinken, und dieses Vorhaben regelmäßig an einigen der mutigeren Mitglieder der EU (u.A. Polen) gescheitert war, wurde die Richtlinie am Montag bei einem neuerlichen Ratstreffen beschlossen.
Dies löste sofort eine Welle der Empörung in ganz Europa aus, da sich viele Länder und Parteien gegen die Richtlinie ausgesprochen hatten und auch das Europaparlament den Entwurf abgelehnt hatte. Drohungen von Firmen wie z.B. von Microsoft an die dänische Regierung seine Firma Navision mitsamt den 800 MitarbeiterInnen in die USA auszulagern wenn
die Richtlinie abgelehnt würde, verstärken den Eindruck dass es bei der Angelegenheit längst nicht mehr mit demokratisch rechten Dingen zugeht.
Dass der Hauptsitz von Microsoft, aufgrund des dortigen niedrigen Steuersatzes für us-amerikanische Unternehmen, in Dublin, Irland liegt, dem Heimatland von EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy, einem der
Hauptakteure im Kampf für die Softwarepatente, ist nur ein weiteres pikantes Detail.
Regierungen, Parteien, das Europaparlament, der FFII, Größen wie Linus Torvalds aber auch z.B. die Deutsche Bank, tausende Klein- und Mittelbetriebe und zehntausende ProgrammiererInnen und Betroffene haben sich gegen diese nachweislich wettbewerbsschädigende Richtlinie
ausgesprochen und dagegen kampagniert und demonstriert. Nichtsdestotrotz scheinen die Riesen der Softwareindustrie sich über die Demokratie hinwegzusetzen zu können.
Nach der Abstimmung über die Richtlinie am Monat ist aber noch nichts verloren. Aufgrund der vermutenden Rechtswidrigkeit der Abstimmung hat der Rechtsauschuss des EU-Parlaments unter starkem Druck von Abgeordneten wie der österreichischen Grünen Eva Lichtenberger beschlossen die Angelegenheit prüfen zu lassen.
Sollte der Beschluss als gültig anerkannt werden kommt der Entwurf zu zweiten Lesung ans Europaparlament, das den Entwurf ablehnen oder ändern kann. Allerdings ist dafür dann immer eine absolute Mehrheit erforderlich.
Softwarepatente betreffen absolut jeden der irgendwie mit Computern zu tun hat, von der Chefin einer IT-Firma bis zum Programmierer und hinunter zum Anwender, der sich in Zukunft mit schlechteren Programmen und weniger Auswahl herumärgern muss.
Weitere Informationen:
- Allgemeine Informationen über Softwarepatente und aktuelle News zum Thema bei NoSoftwarePatents.com, einer Kampagne von MySQL-Entwickler Florian Müller: http://www.nosoftwarepatents.com
- Seite des FFII zum Thema (IMHO sehr unübersichtlich):
http://www.ffii.org/swpat - Infos zur Gesetzgebung in der EU:
http://de.wikipedia.org/wiki/Europäische_Union :-)