Wieder einmal begeben sich Anwälte auf Opferjagd - Diesmal sind Privatpersonen wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen im Visier - Berufen sich auf “Verwertungsorganisationen” - mit zum Teil dubiosen Argumenten - Homepage einer Urheberrechts-“Schutzorganisation” fordert Internetprovider geradezu zum Rechtsbruch auf
Wieder einmal begeben sich Anwälte auf Opferjagd
In einem Schreiben wurde ein oberösterreichischer Familienvater mit der Aufforderung konfrontiert, wegen angeblichem Bereitstellen von mehr als 2000 gespeicherten Musikdateien eine Abstandszahlung von mehr als 4.000 EUR zu leisten.
Wie der Anwalt ausführt, hatte er die Personendaten vom Internetprovider des Benutzers erhalten. Begründet wurde die “Urheberrechtsverletzung” damit, dass es dem Anwalt gelungen war vom persönlichen Gerät des Benutzers mehrere, namentlich angeführte Musikdateien downzuloaden.
Nach den Recherchen der ARGE DATEN dürfte dieses Schreiben kein Einzelfall sein.
Richtiges Verhalten entscheidend
Auf derartige Abmahn-Forderungen sollte keinesfalls eingegangen werden, keinesfalls sollte irgendein Betrag bezahlt werden oder eine Unterlassungserklärung unterfertigt werden. Auch eine Rückantwort an den Anwalt wird in der Regel nicht sinnvoll sein.
Jedenfalls sollte geprüft werden, ob die Behauptungen der Schreiben überhaupt irgendwelchen Tatsachen zugrunde liegen. So kann es ohne weiters sein, dass jemand auf Grund eines Konfigurationsfehlers irrtümlich Verzeichnisse seines Privatcomputers für den Zugriff aus dem Internet freigegeben hat oder dass er nach einem - zulässigen Download - vergessen hat, ein Verzeichnis zu schließen.
In keinem derartigen Fall liegt rechtswidriges Verhalten vor, genau das müsste jedoch der Anwalt oder die dahinterstehende Klagsindustrie nachweisen.
Sollten tatsächlich Fehler in der privaten Computerkonfiguration vorliegen, raten wir, diese zu beheben. Gleichzeitig sollte jedoch geprüft werden, ob nicht durch den eingestandenen Zugriff des Anwalts auf persönliche Datenbestände rechtswidriges Verhalten vorliegt, etwa Verletzung des DSG
2000, Verletzung des Telekomgeheimnisses (§119 StGB), Datenbeschädigung (§126a StGB) oder die Verletzung einer Cybercrimebestimmung (StGB §118a “Widerrechtlicher Zugriff auf Computer”, §119a “Missbräuchliches Abfangen von Daten”, §126b “Störung der Funktionsfähigkeit eines Computers”, §126c “Missbrauch von Computerprogrammen oder Zugangsdaten” oder §225a “Datenfälschung”).
Interent-Serviceprovider verwarnen
Die Auswertung von Verkehrsdaten und die Weitergabe des ausgewerteten Ergebnisses an Dritte ist bei privater Inernetnutzung in jedem Fall unzulässig. Ausschliesslich auf Anordnung des Gerichts oder mit ausdrücklicher Zustimmung des Betroffenen dürften diese Daten bekannt gegeben werden.
Die Zuordnung, welche IP-Adresse eine bestimmte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt genutzt hat, stellt eine derartige Auswertung dar. Die Weitergabe der Personendaten an eine Verwertungsgesellschaft oder dessen Anwalt ist - ohne Zustimmung des Betroffenen - jedenfalls unzulässig.
Der ISP sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass alle Kosten und Aufwändungen, die sich aus einer derartigen Weitergabe ergeben, im Regressweg zurückgeholt werden.
Dubiose Argumentation der Urheberrechts-“Schutzorganisation”
In Österreich ist zum Thema Urheberrecht und Musikindustrie ein undurchschaubares und dubioses Geflecht von mehreren Organisationen (IFIP, LSG, VBT, Phononet Austria GmbH) tätig, “zufällig” alle auf derselben Adresse “A-1010 Wien Schreyvogelgasse 2/5” beheimatet.
Abgesehen davon, dass viele Behauptungen zum Thema Urheberrechtsverletzung durch Privatpersonen ausschließlich einseitige Interpretationen der Musikindustrie darstellen und weder direkt aus den Gesetzestexten ableitbar sind, noch es dazu Gerichtsentscheidungen gibt, wird auch auf einer der
Homepageseiten offen zur rechtswidrigen Datenweitergabe vom Internet-Provider (ISP) zur Verwertungsorganisation aufgerufen.
Interessante und objektive Informationen zum Thema Urheberrecht finden sich unter http://www.internet4jurists.at (allgemeine Urheberrechtsfragen) und http://www.ffs.or.at (softwareorientiert).
Hans G. Zeger: “Es mag schon stimmen, dass einiges, was im Internet abläuft aus der Sicht der Musikindustrie unerwünscht ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass es automatisch illegal ist. Das zu entscheiden, sind ausschließlich Gerichte befugt.”
Verwertungsorganisationen scheuen Prozesse
Tatsächlich geht es bei diesen Abmahnverfahren nicht darum eine rechtliche Klärung herbeizuführen oder rechtswidriges Verhalten einzudämmen, sondern Angst und Schrecken zu verbreiten, Privatpersonen zu verunsichern und an sich zulässige Internetaktivitäten zu “kriminalisieren”.
Der ARGE DATEN ist kein österreichischer Fall bekannt, in dem Privatpersonen wegen Internetdownloads tatsächlich vor Gericht kamen. In diesem Fall könnte ein für allemal geklärt werden, was Privatpersonen alles dürfen (was wesentlich mehr ist, als die Musikindustrie behauptet) und all die lukrativen Abmahnwellen wären vorbei.
Nicht die letzte Abmahnwelle
Schon in der Vergangenheit verursachten derartige Abmahnwellen Aufregung und große Schäden. Erinnert sei an die Abmahnwelle des Rechtsanwalts Nowak, die mit einem Disziplinarverfahren gegen den Anwalt endete oder an die Methoden der Meteodata-Firma, die mit ihren Abmahnmethoden in den Konkurs schlitterte. Aber auch Abmahnungen, wegen verschickter Mails, die Würmer enthielten oder
gegen Anbieter von Telefonsex sind uns bekannt.
In allen Fällen war die einzig richtige Strategie, keinesfalls auf die Schreiben einzugehen oder zu reagieren.
Möglich sind derartige Abmahnwellen, weil im Internetbereich (ISP und WHOIS-Verwaltung) nach wie vor die persönlichen Daten der Benutzer allzuleicht veröffentlicht und weitergegeben werden.